Aktuelles

Birgit Beuger
Damalige Vorsitzende des Kirchenvorstandes Grasdorf/ Luttrum


Meine Damen und Herren!

Ich bin dankbar für die Gelegenheit, hier heute einmal aus der Sicht des Kirchenvorstandes zu berichten. Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen, wenn ich vom Kirchenvorstand spreche, dann meine ich die Mehrheit der Kirchenvorsteher im Kirchenvorstand Grasdorf. Bei diesem Thema 'Baselitz Bild' sind wir neun Kirchenvorsteher nämlich geteilter Meinung. Es ist nicht etwa so, dass sich Fraktionen gebildet haben, nein es gibt durchaus wechselnde Mehrheiten: und es gibt auch einstimmige Beschlüsse, so z.B. der Beschluss, unser Bild auf Bitten der Medienzentrale für einen begrenzten Zeitraum hier in der Neustädter Kirche auszustellen.

Ich glaube, das ist der erste einstimmige Beschluß, der im Zusammenhang mit dem Baselitz Bild vom jetzigen (amtierenden) Kirchenvorstand gefasst wurde. Zum besseren Verständnis möchte ich kurz auf die Struktur unseres Kirchenvorstandes eingehen. Die Gemeindeglieder der Kirchengemeinde Grasdorf leben in zwei Ortschaften, der größere Teil in Grasdorf, dort steht die Nikolai-Kirche, und der kleinere Teil lebt in Luttrum, dort steht die Annenkirche. Der Zusammenschluß, der bis dahin selbständigen Gemeinden erfolgte vor 25 Jahren.

Um die Chancengleichheit bei Kirchenvorstandswahlen zu wahren, wurden bislang Wahlbezirke eingerichtet, so war gewährleistet, dass auch immer Luttrumer im Kirchenverstand vertreten waren.

Der amtierende Kirchenvorstand setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen: Herrn Pastor Dose, sechs gewählten Vorstehern, davon drei Frauen, und zwei Mitglieder wurden berufen. Es gibt keine Sonderrechte im Kirchenvorstand. Wir beraten und beschließen alles gemeinsam.

Ich gehe deshalb so detailliert auf das Thema ein, weil die Bildgegner zur Klärung der Frage nach der Zuständigkeit des Gesamt-Kirchenvorstandes bei Entscheidungen um das Bild, sogar den Rechtshof bemüht haben. Und ich weiß, dass Sie in der Öffentlichkeit große Sympathien ernten, bei der Darstellung der Probleme aus ihrer Sicht. Nur wurde unter den Emotionen die Wahrheit und die Wirklichkeit etwas geschönt. Es wird den aus Grasdorf stammenden Kirchenvorstehern vorgeworfen, aus reinem Machthunger oder aus geistiger Arroganz den kleineren Gemeindeteil zu majorisieren. Das alles macht aber keinen Sinn. Aus Machtinteresse kandidiert man nicht als Kirchenvorsteher.

Der Kirchenvorstand sah sich bei seiner Amtsübernahme bereits einem Scherbenhaufen gegen über und auch durch größte Anstrengungen konnte keine sachliche Ausgangsposition geschaffen werden. Das war zu diesem Zeitpunkt auch schon nicht mehr möglich, wie uns ein Pastoral-Soziologe, der mit uns eine Problemaufarbeitung durchführte, klargemacht hat.
Ich möchte es noch einmal betonen, alleKirchenvorsteher haben mit großer Sorgfalt und verantwortlich entschieden.

Nun hat der Rechtshof ja auch eindeutig festgestellt,dass der Kirchenvorstand korrekt gehandelt hat und die Entscheidung rechtlich nicht anfechtbar ist.

Es geht um die Entscheidung, das Bild 'Tanz ums Kreuz', das der Kirchenvorstand der letzten Legislaturperiode als Geschenk von Herrn Baselitz angenommen hat, dieses Bild an der Ostseite der Annenkirche aufzustellen und die Altarrückwand an die Südseite der Kirche umzusetzen.

Viele beglückwünschen uns zu diesem Entschluß und freuen sich mit uns. Einige beneiden uns sogar um den Besitz eines echten 'Baselitz', um dieses farbenfrohe Bild, auch um die Chance, die sich uns damit auftut und um die Kräfte, die dieses Kunstwerk birgt.

Viele stehen diesem Bild und der Entscheidung verständnislos sogar feindselig gegenüber. Sie können moderner Kunst nichts abgewinnen, finden dieses Bild schrecklich abartig, das ist unreifes Geschmiere, mein Enkel hätte das besser gemalt… Einige sehen in dem Bild gar das Symbol der Antichristen. Das ist Satans Werk.… Dann gibt es noch die Pseudo Toleranten. Das Bild - ,na ja, ja schon, aber doch nicht hier...

Ist dieses Bild denn nun eine Belastung oder eine Bereicherung für die Arbeit in der Gemeinde, fragte mich kürzlich eine Journalistin.

Auf den ersten Blick und oberflächlich betrachtet ist das Bild eine große Belastung oder ein anstrengendes Geschenk, wie es mal jemand formulierte. Sie sind sicherlich informiert. Die Medien berichteten von der kleinen idyllischen, vor allem aber intakten Gemeinschaft, die nun zerstört wurde. Die Betonung liegt auf wurde. Schuld ist das Bild und im Zweifelsfall immer die andere Seite. Und überhaupt, wie kommt der Baselitz dazu, sein Geschmiere dieser kleinen Kirchengemeinde aufzudrängen, wo es doch keiner haben will. Ein Komplott zwischen dem Pastor und dem Künstler wird vermutet, dahinter steckt die Kunstmafia, nur ein Werbegag für Baselitz, um sich wieder ins Gespräch zubringen.

Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Spekulationen, Verdächtigungen, Interpretationen und vermeintliche Wahrheiten im Umlauf waren und sind. Wundern tut mich immer nur, dass diese Dinge nur allzu gern gelaubt werden, sogar von Leuten, die sonst als ausgesprochen kritisch gelten.

Das alles belastet natürlich und dass die Gemeindearbeit dadurch nicht blockiert wurde, spricht doch eigentlich für den Kirchenvorstand. Das Geschenk bereichert unsere Gemeinde aber auch. Ich meine nicht finanziell -, da stehen wir fast vor dem Offenbarungseid. Nein - .

Die finanziellen Aufwendungen für das Bild und die begleitenden Maßnahmen (Versicherungen, Präsentation) sprengen unsere Finanzen. Wir erhalten keinerlei Zuwendungen für das Bild weder vom Kirchenkreis noch vom Landeskirchenamt. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere kleine Kirchengemeinde damit finanziell überfordert ist.

Das ist auch ein großes Problem. Wir können z.Zt. unseren Beschluß nicht umsetzen.
Das Landeskirchenamt verweigert seine Zustimmung, bis wir ein Gesamtkonzept vorgelegt haben und die Finanzierung gesichert ist. Also doch nur Last… Ich sage nein, und um das zu begründen, möchte ich Ihnen meine persönlichen Eindrücke zu dem Bildbeschreiben.

Bei meinem Eintritt in den Kirchenvorstand fand ich es ganz schrecklich, dass ein Kunstgegenstand in der Lage ist, einen solchen Streit zu provozieren. Meine Kraft wollte ich ganz anders einsetzen. Aber nun war ich gefordert. Ich musste mich mit dem Bild auseinandersetzen. Was bedeutet es mir? Es bedeutet mir ein Stück Gegenwart in der Kirche. Die Kirche hat eine lange Tradition. Aber für viele ist Kirche, christlicher Glaube nur Tradition. Unser Glaube aber ist mehr, und er muss auch immer ein Stück gegenwartsbezogen sein. Nur so ist er lebendig, -nur so kann er überleben. Ich bin mir bewusst,dass ein Kunstgegenstand allein nichts ändert.
Glaube, mein Christsein 1996. Mir bedeutet es sehr viel, heute mehr denn je. Der Gott meiner Kindheit, der reglementierende überwachende strafende Gott hat sich gewandelt. Es ist der liebende Gott, der mich auf meinem Weg begleitet, der aufmuntert, der mich wohlwollend annimmt in all meiner Unvollkommenheit. Und diese Liebe gibt mir die nötige Kraft, auch für meine Arbeit im Kirchenvorstand für meine Kirchengemeinde.

Ich erwarte nicht, dass alle so empfinden, aber das Nachdenken und das Hinterfragen alter Gewohnheitenlohnt.

Ich wünsche mir Vertrauen von Ihnen, von meiner Kirchengemeinde, von den kirchli­ chenGremien.Vertrauen in unser verantwort­ liches Handeln und darauf, dass wir die Lage vor Ort richtig einschätzen und deuten.Ich wünsche mir Zeit, denn jede Verände rung,und ist sie noch so klein,braucht Zeit.

Ich wünsche mir Mut, diesen Weg mit dem Bild weiterzugehen, auch wenn er mühsam und belastend ist.

Aber er ist em äußeres Zeichen. Geschaffen von einem Menschen, der in der heutigen Zeit lebt, die globalen Probleme kennt, die gleiche Luft atmet wie wir, einStück Identität. Ein Aufruf nachzudenken, wer bin ich in der Kir­che, wo stehe ich,w as bedeutet mir mein Glaube.